Montag, 22. Januar 2007

Der Prozess der Katharina Kepler

Es gab Zeiten, da wurde man sehr schnell der Hexerei verdächtigt, es genügte ein Nachbarschaftsstreit oder ein unglücklicher Zufall.
Wenn es dann auch noch zur Anklage kam, gab es meist kein Entkommen mehr.
Auch die Mutter des berühmten Astronomen und Mathematikers Johannes Kepler wurde um 1615 der Hexerei verdächtigt.

Katharina Kepler hatte ihren Ehemann in den Kriegswirren der damaligen Zeit verloren und sie musste ihre acht Kinder durchbringen und ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Johannes Kepler, ihren Lieblingssohn, der Astronom und Mathematiker wurde, verschlug es nach Österreich.
Sein jüngerer Bruder Heinrich zog wie sein Vater in den Krieg.
Einige Geschwister blieben in der Heimat, wie z.B. der noch jüngere Bruder Christoph, er wurde Zinngiesser in Leonberg.

Eines Tages kehrte Heinrich aus dem Krieg heim und verlangte von der Mutter Geld und beste Bewirtung. Sie schimpfte ihn aus, daraufhin soll er sie in dem Städchen Leonberg, wo sie wohnten, als Hexe verschrien haben.
Eine schwerwiegende Anklage in dieser Zeit! Er hätte wissen müssen, was er da in Gang brachte. Jedenfalls erlebte er die Auswirkungen nicht mehr, denn er verstarb noch im selben Jahr 1615.



Wie der Stein ins Rollen kam


Christoph der Zinngiesser von Leonberg hatte eines Tages Streit mit des Glasers Gattin Ursula Rheinbold. Beim hitzigen Wortwechsel warf er ihr einen liederlichen Lebenswandel vor.
Deren Mutter ging zu seiner Mutter Katharina Kepler um sich zu beschweren. Anstatt daß sie ihren Sohn zurechtwies oder die Rheinboldin irgendwie versuchte zu beruhigen, meinte sie, daß ihr Sohn mit seiner Behauptung ja recht habe.
Die beiden Frauen kannten sich seit Jahren und die Tochter der Rheinboldin war schon mehrere Male bei der Prostitution erwischt worden.
Aus Rache behauptete nun die Rheinboldin, sie hätte einmal bei Katharina Kepler einen verhexten Trank bekommen, denn nachhher wurde ihr elend.
Es entstand ein regelrechter "Psycho-Krieg" zwischen den beiden Familien, jede redete übelst über die andere. Das zog sich über eine lang Zeit hin und verhärtete die Fronten der beiden feindlichen Familien....und der Streit zog immer weitere Kreise.

Die Rheinboldin nützte den Umstand, daß Katharinas eigener Sohn sie als Hexe bezichtigt hat und baute diesen Vorwurf noch weiter aus.
Die Bewohner der Stadt waren ohnehin auf Hexereianschuldigungen sehr hellhörig geworden, denn immerhin wurden zur Jahreswende 1615/1616 in Leonberg sechs Frauen als Hexen hingerichtet!



Die Intrigenküche brodelt


Der Bruder der Rheinboldin war Urban Kräutlin, der Hofbarbier. In einer solchen Stellung kam er natürlich viel herum und war auch mit dem Vogt Luther Einhorn bekannt.
Anlässlich einer Jagd gab es ein Abendessen in Leonberg, wo hohe Herren und Damen der Umgebung anwesend waren. Im angetrunkenen Zustand kam der Vogt durch den Hofbarbier auf die Idee, die Katharina Kepler aus dem Haus zu holen und herbringen zu lassen.
Der Hofbarbier beschimpfte sie heftig, zog seinen Säbel und bedrohte sie damit, sie solle doch endlich zugeben, daß sie eine Hexe sei. Und sie solle sofort seine Schwester gesund machen.
Trotz dieses bedrohenden Verhaltens schritt der Vogt nicht ein, schliesslich wollte er sie ja am Scheiterhaufen sehen. Es hätte eine Falle für Katharina Kepler sein sollen.
Sie sagte jedoch, daß sie keine Hexe sei und daß sie seine Schwester weder krank noch gesund machen könne. So liessen sie sie endlich gehen.

Christoph Kepler und seine Schwester Margarethe Binder wollten daraufhin eine Verleumdungsklage gegen die Rheinboldin anstreben. Doch, da der Vogt selber durch sein unrechtmäßiges Auftreten in die Sache verwickelt war, verschleppte er die Klage.

Die ganze Sache wurde immer verwickelter und verzwickter, immer mehr Zeitgenossen wurden in den Streit hineingezogen und scheinbar gab es immer mehr Beweise dafür, daß Katharina Kepler eine Hexe sei.
Sie soll einer Frau den Arm verhext haben, daß er lahm wurde, sie soll die Milch der Kuh sauer gemacht haben, sie könne durch verschlossene Türen ins Haus gehen und mehr solchen Unsinn. Immer mehr Leuten fiel plötzlich ein, was sie ihr noch anhängen konnten.



Ihr Verhängnis


Es war schon einmal eine Frau aus der Keplerfamilie der Hexerei angeklagt und auf dem Scheiterhaufen hingerichtet worden, ihre Tante.
Sie hatte Katharina aufgezogen und sie auch in der Kräuterkunde unterwiesen.
Ein Umstand, der wahrscheinlich auch der Wahrheit entspricht, war, daß sie den Totengräber eines Nachbarortes einmal bat, den Totenschädel vom Großvater auszubuddeln. Sie wollte ihn in Silber fassen und ihrem Sohn Johannes als Trinkgefäß schenken. Sie habe das ausgerechnet in einer Predigt gehört, daß es üblich gewesen sei aus den Schädeln der Vorfahren zu trinken.
Das war natürlich für viele ein weiteres Zeichen für Hexenkunst.

Die Anklage wurde immer schwerer und so kam es, daß Johannes Kepler aus der Ferne für seine Mutter einen guten Rechtsanwalt engagierte.
Auch er hatte einen Anteil von "Schuld" daran, daß seine Mutter immer mehr in ernste Schwierigkeiten schlitterte. In jungen Jahren schrieb er während seiner Studienzeit ein Science Fiction Märchen (vor 1600!!!) das stark autobiografische Züge von ihm und seiner Mutter trug.
Das Buch hieß "Somnium" oder auf deutsch "Der Mondtraum".

In dieser Geschichte ging es um eine Reise zum Mond und ein Kräuterhexlein Fiolxhilde. Diese Geschichte entsprang der jugendlichen Phantasie des Johannes Kepler.
Er beschreibt die Verhältnisse auf dem Mond sehr gut und detailliert und noch dazu war Fiolxhilde seiner Mutter auffallend ähnlich.



Territo - Wie man Menschen in Angst und Schrecken versetzt


Die Lage wurde immer schlechter, man munkelte schon über Verhaftung und Folter. Die Geschwister brachten die Mutter nach Heumaden, wo ihre Tochter Margarethe mit ihrer Familie lebte. Sie wollten die Mutter überreden zu Johannes nach Linz zu reisen, dort wäre sie vielleicht sicherer.
Katharina Kepler wollte nicht verreisen. Vielleicht dachte sie, es sehe aus wie eine Flucht und ausserdem sie war ja schon über siebzig Jahre alt. So eine weite Reise war für eine alte Dame sicherlich sehr beschwerlich.
Sie kam bis Ulm, dann drehte sie wieder um, da ein unvorhergesehener Kälteeinbruch kam. Ihr Sohn Christoph bringt sie im Dezember 1616 gegen ihren Willen nach Linz zu seinem Bruder Johannes.
Ein dreivierteljahr blieb sie in Linz bis sie wieder zurück nach Hause reiste.
Die Verleumdungsklage der Geschwister Kepler gegen die Rheinboldin wurde vom Vogt immer noch verschleppt, erst im Mai 1618 gab es eine Zeugenvernehmung.
Es brachte keine Entlastung, im Gegenteil, jetzt wurde sie auf Schadenersatz von 1000 Gulden geklagt, da sie angeblich jemanden krank gehext haben soll. Die Absicht hier war, die Anklage wegen Hexerei in Gang zu bringen.
Am 4. September 1620 war es dann soweit, Katharina Kepler wurde der Hexerei angeklagt. Es gab im ganzen 49 Anklagepunkte gegen sie!



Sie wurde in einem ungeheizten Turm eingesperrt, erst nach schriftlichen Interventionen von ihrem Sohn Johannes wurde sie in einem heizbaren Raum des Stadttores angekettet, bewacht von 2 Wächtern, welche die Familie Kepler aus eigener Tasche zu bezahlen hatte.

Johannes Kepler reiste in dieser Zeit einige Male in seine Heimat um seiner Mutter zu helfen.
Sie war schon fast ein Jahr eingesperrt.

Sie wusste, bei einer Anklage wegen Hexerei gab es kein Entkommen von der peinlichen (wortwörtlich zu verstehn : pein - lichen) Befragung und das war nur der Anfang aller Quälereien. Sie hoffte auf ihren Sohn Johannes.
Dieser unternahm alles, was in seiner Macht stand und schrieb ausserdem noch viele Briefe an hohe Herren und die dortige Gerichtsbarkeit.
Er, als Sohn einer Hexe gebrandmarkt, hatte finanzielle Einbußen und musste zusätzlich für die Haftkosten seiner Mutter aufkommen.
Es hatte ihn auch sehr viel Zeit und Energie gekostet, die zweite Reise dauerte ungefähr ein Jahr.

Im September 1621 zeigte und erklärte man der geschwächten Frau Kepler die Folterinstrumente, man wollte ihr Angst einjagen. Dieses Zeigen und Erklären der Folterinstrumente hieß "Territio". Der Henker war bei dieser Territio auch anwesend. Als nächstes wäre dann die Folter angestanden.
Sie beharrte auf ihrer Unschuld, sie habe niemanden verhext.
Da passierte das Unwahrscheinliche: sie wurde am 3. Oktober 1621 freigesprochen! Die Interventionen ihres berühmten Sohnes zeigen endlich eine Wirkung. Sie durfte aber nicht mehr nach Leonberg in ihr Haus zurückkehren.
Katharina Kepler starb in der Nähe von Heumaden am 13. April 1622.



Seite fertig erstellt ( zufällig ) am 13. April 2002
Text by Niwi


Leonberg
Quellen und Literaturangabe:
Biografie Johannes Kepler von Mechthild Lemke
Biografie Johannes Kepler von Anna Maria Lombardi
VO Geschichte der Astronomie, Uni Wien, Sommersemester 2000

7141 mal gelesen

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andreas (Gast) - 10. Nov, 10:57

falsche Vorstellungen

Hallo Niwi,

Leider stehen in deinem interessanten Text zahlreiche Dinge, die von der neueren Forschung inzwischen als Legenden erkannt wurden. Das betrifft zum Beispiel die Rolle der Inquisition bei Hexenverfolgungen. Es gab in der 200jährigen Geschichte nur sehr kurze Phasen, in denen die I. in Hexenverfolgungen involviert war. Die meiste Zeit lehnte die katholische Kirche den Hexenglauben als Aberglauben ab. Die Inquisition sorgte in manchen Ländern (Spanien) sogar dafür, daß die Volksprogrome gegen angebliche Hexen eingestellt wurden. Päpstliche Dekrete verurteileten schon um1000nChr die Ermordung von "Hexen" und drohten sogar die Todesstrafe dafür an. Ausnahmefiguren wie der Fanatiker Konrad v. Marburg und der Betrüger Kramer, der den berüchtigten "Hexenhammer" verfassten, waren innerhalb der Kirche hoch umstritten. Die Inquisition war damals die einzige Art zu einem rechtlich einigermassen geregelten Prozess zu kommen, wobei die Folter als allerletztes Mittel strengen Beschränkungen unterworfen war (zB. Verbot der körperlichen Verstümmelung), im Gegensatz zu den weltlichen Akkusationsgerichten, in denen praktisch alles erlaubt war. War das Ziel der Inquisitoren eine Bekehrung, ging es bei den weltlichen Gerichten meist um Bestrafung und physische Vernichtung zwecks Belustigung der Massen.
Die Hexenverfolgung war meist eine Sache des Volkes,der Fürsten, der Juristen und nur am Rande des örtlichen Klerus, der sein Fähnchen nach dem Wind richtetet. (siehe die zeitgenösische Anklage Cautio Criminalis v. F. Spee)
Falsch ist auch, daß der Vatikan erst 1992 das heliozentrische Weltbild anerkannte. Richtig ist, daß der Papst 92 den Prozess gegen Galileo bedauerte und sehr differenziert aufarbeitete. Papst Urban VII, unter dem der zweite Prozess gegen Galileo geführt wurde, war ein Bewunderer und Förderer Galileos und das heliotentrische Weltbild war damals schon 100 Jahre alt und wurde auf den theologischen Universitäten offen diskutiert. Der Prozess war eine tragische Konsequenz aus Mißverständnissen, Provokationen und politischem Druck und lief ganz anders ab, als man sich das heute so vorstellt.
Über all das gibt es spannende Literatur. Ich emfehle dir zunächst einmal zu Inquisition und Hexenwahn
"Toleranz und Gewalt- Das Christentum zwischen Bibel und Schwert" von Arnold Angenendt

Viele Grüße

Niwi - 11. Nov, 21:47

Hallo Andreas,
vielen Dank für Deinen interessanten und ausführlichen Beitrag!
Ich wusste schon, daß ganz früher allein der Glaube an Hexerei verboten war.
Das hat sich aber mit der Zeit geändert.
Spätestens nach der Verfolgung der Katharer und Albigenser.

Ich glaube, man kann überhaupt kein homogenes Bild über die Hexenverfolgung zeichnen, denn es war in jedem Landstrich, vielleicht sogar in jeder Ortschaft anders.

Das Buch, welches Du mir empfohlen hast, kenne ich noch nicht!
Ich werde es mir merken und falls ich wieder in dieser Richtung etwas lesen werden, dann werde ich Deinen Tip berücksichtigen.

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