Mittelalter - Texte

Montag, 22. Januar 2007

Ein frühes Wienerlied :-)

von Walther von der Vogelweide

Owe war sint verswunden alliu miniu jar!
ist mir min leben getroumet, oder ist ez war?
daz ich ie wande ez waere, was daz allez iht?
dar nach han ich geslafen und enweiz es niht.

nu bin ich erwachet, und ist mir unbekannt
daz mir hie vor was künic als min ander hant
liut unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen
die sint mir frömde worden reht als ez si
gelogen.

die mine gespilen waren, die sind traege unt alt,
vereitet ist das feld, verhouwen ist der walt,
wan daz daz wazzer fliuzet als es wilent floz
für war min ungelücke wande ich wurde groz

3028 mal gelesen

Walther von der Vogelweide

Man weiß nicht sehr genau wann er geboren worden ist, vermutlich um das Jahr 1170 in Niederösterreich. Eine Zeitlang lebte und wirkte er in Wien, am Hof der österreichischen Herzoge. Später, nach dem Tod Friedrich I, zog er als fahrender Sänger durch die Lande. Es sind sehr viele Texte und Lieder von ihm überliefert, er war schon zu Lebzeiten ein berühmer Liedermacher.
Ungefähr um 1230 starb er in Würzburg und wurde auch dort begraben.




Palästinalied

1
Nu alrest lebe ich mir werde,
sit min sündic ouge siht
daz reine lant und ouch die erde
den man vil der eren giht.
Mirst geschehen des ich ie bat,
ich bin komen an die stat,
da got mennischlichen trat.

2
Schoeniu lant rich unde here,
swaz ich der noch han gesehen,
so bist duz ir aller ere:
was ist wunders hie geschehen!
Daz ein magt ein kint gebar
here über aller engel schar,
was daz niht ein wunder gar?

3
Hie liez er sich reine toufen,
daz der mensche reine si;
Do liez er sich herre verkoufen,
daz wir eigen wurden fri,
anders waeren wir verlorn:
wol dir, sper kriuz unde dorn!
we dir, heiden, deist dir zorn!

4
Do er sich wolte übr uns erbarmen,
hie leit er den grimmen tot,
er vil riche durch uns armen,
daz wir komen uz der not.
daz in do des niht verdroz,
dast ein wunder alze groz,
aller wunder übergnoz.

5
Hinnen fuor der sun zer helle
von dem grabe, da (e)r inne lac;
des was ie der vater geselle
und der geist, den niemen mac
sunder gscheiden: est al ein,
sleht und ebener danne ein zein,
als er Abrahame erschein.

6
Do (e)r den tievel do geschande,
daz nie keiser baz gestreit
do fuor er her wider ze lande:
do huob sich der juden leit,
daz er herre ir huote brach,
und man in sit lebendic sach,
den ir hant sluoc unde stach.

7
Dar nach was er in dem lande
vierzic tage: do fuor er dar
dannen in sin vater sande:
sinen geist, der uns bewar,
den sant er hin wider zehant.
heilic ist daz selbe lant,
sin name ist vor gote erkant.

8
In diz lang hat er gesprochen
einen angeslichen tac,
da diu witwe wirt gerochen
und der weise klagen mac
und der arme den gewalt
und der wirt an ime gestalt:
wol im dort, der hie vergalt!

9
Kristen, juden unde heiden
jehent daz diz ir erbe si.
got sol uns ze rehte bescheiden
durch die sine namen dri.
Al diu welt diu stritet her:
wir sin an der rehten ger,
reht ist daz er uns gewer



Sinngemäße Übersetzung einiger Strophen
(1, 2, 3, 5, 8)


Jetzt erst erhält mein Leben einen tieferen Sinn
da meine sündigen Augen die heilige Erde schauen
und das Land, das man so sehr verehrt und preist.
Ich darf nun erleben, worum ich immer bat,
ich bin an die Stätte gekommen
wo Gott bei uns war in menschlicher Gestalt.

Viele Länder, schön und reich und herrlich,
habe ich gesehen.
Du überstrahlst sie alle.
Wieviel Wunderbares ist hier geschehen!
Dass eine Jungfrau ein Kind gebar,
heiliger als alle Engelheere,
was das kein grosses Wunder?

Hier liess sich der Reine taufen
und machte die Menschen rein
Der Herr wurde zum Knecht
und machte uns Knechte frei
Sonst waeren wir verloren
Dank sei Lanze, Kreuz und Dornen!
Weh euch, ihr Heiden, dass ihr darüber zürnt.

Aus dem Grab, in dem er lag,
fuhr der Sohn in die Hölle
Immer war der Vater bei ihm
und der Geist, den vom Vater und Sohn
niemand trennen kann: Alle sind eins
glatt und gerade, wie ein Pfeil
wie der dreieinige Gott Abraham erschien.

In diesem Land, so hat er verkündet,
wird er einen furchtbaren Gerichtstag halten
Da werden die Witwe und die Waisen geraecht
Und Arme dürfen klagen gegen die Gewalt
die man ihnen angetan hat.
Wer hier seine Schuld bezahlte, wird dort froh sein.



Niemand kann mit gerten

Nieman kan mit gerten
kindes zuht beherten.
den man zêren bringen mac,
dem ist ein wort als ein slac.
den man zêren bringen mac.
kindes zuht beherten
nieman kan mit gerten.

Hüetent iuwer zungen,
daz zimt wol den jungen.
stôz den rigel für die tür,
lâ dekein böse wort dar für.
stôz den rigel für die tür,
daz zimt wol den jungen.
hüetent iuwer zungen!

Hüetent iuwere ougen
offenbâr und tougen,
lânt si guote site spehen
und die bösen übersehen.
lânt si guote site spehen,
offenbâr und tougen
hüetent iuwere ougen!

Hüetent iuwere ôren
oder ir sint tôren.
lânt ir bsiu wort dar in,
daz gunêret iu den sin.
lânt ir bsiu wort dar in,
oder ir sint tôren,
hüetent iuwere ôren!

Hüetent wol der drîer
leider alze frîer.
zungen, ougen, ôren sint
dicke schalkhaft, zêren blint.
zungen, ougen, ôren sint,
leider alze frîer
hüetent wol der drîer!

Nieman ritter wesen mac
drîzec jar und einen tac,
im gebreste muotes,
lîbes alder guotes.
im gebreste muotes,
drîzec jar und einen tac
nieman ritter wesen mac.



Gerhard Atze

Mir hât hêr Gêrhart Atze ein pfert
erschozzen zIsenache.
daz klage ich dem, den er bestât:
der ist unser beider voget.
ez was wol drîer marke wert.
nû hörent fremde sache,
sît daz ez an ein gelten gât,
wâ mit er mich nû zoget.
er seit von grozer swære,
wie mîn pfert mære
dem rosse sippe wære,
daz im den vinger abe
gebizzen hât ze schanden.
ich swer mit beiden handen,
daz si sich niht erkanden.
ist ieman, der mir stabe?



Swa guoter hande wurzen

Swa gouter hande wurzen sint
in einem grüenen garten
bekliben, die sol ein wiser man niht lazen unbehuot.
er sol si schiemen als ein kint
mit ougenweide in zarten da lit gelust des
herzen an, und git ouch hohen muot
si boese unkrut dar under, daz breche er uz
besunder lat erz des wehset wunder,
und merke ob sich ein dorn
mit kündikeit dar breite, daz er den furder
leite von siner arebeite: sist anders gar verlorn



Übersetzung sinngemäß:

Wenn in einem grünen Garten, Kräuter und
andere edle Gewächse gedeihen,
sollte man sie nicht unbeaufsichtigt lassen,

sondern seine Augen an ihnen erfreuen, sie
pflegen und beschützen. Dieses ist mit Freude
und mit einer guten Ernte verbunden.

Ist schädliches Unkraut darunter, dann muss man es ausreißen.
Unterläßt Du es, so wuchert es mächtig.
Achte darauf, daß auch kein Dornenstrauch
sich ausbreitet, denn er macht all Deine Sorgfalt und
Mühe zu Schanden, und alles wäre umsonst.

(Quelle: "Ougenweide" - LP)



Unter der Linden

under der linden
an der heide
dâ unser zweier bette was
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras
vor dem walde in einem tal
tandaradei
schône sanc diu nahtegal.
ich kam gegangen
zuo der ouwe
dô was mîn friedel komen ê
dâ wart ich empfangen
hêre frouwe
daz ich bin sælic iemer mê
kust er mich wol tûsentstunt
tandaradei
seht wie rôt mir ist der munt
dô hete er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat
des wirt noch gelachet
inneclîche
kumt iemen an daz selbe pfat
bî den rôsen er wol mac
tandaradei
merken wâ mirz houbet lac
daz er bî mir læge
wesse ez iemen
nu enwelle got so schamte ich mich
wes er mit mir pflæge
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich
und ein kleinez vogellîn
tandaradei
daz mac wol getriuwe sîn



Wol mich der Stunde, Ougenweide

Wol mich der stunde, daz ich si erkande,
diu mir den lîp und den muot hât betwungen,
Sît deich die sinne sô gar an si wande,
der si mich hât mit ir güete verdrungen.
Daz ich gescheiden von ir niht enkan,
daz hât ir schöne und ir güete gemachet,
und ir rôter munt, der sô lieplîchen lachet.

Ich hân den muot und die sinne gewendet
an die reinen, die lieben, die guoten.
Daz müeze uns beiden wol werden volendet,
swes ich getar an ir hulde gemuoten.
Swaz ich noch vreuden zer werlde ie gewan,
daz hât ir schöne und ir güete gemachet,
und ir rôter munt, der sô lieplîchen lachet.

Übersetzung:
Gesegnet sei die Stunde, da ich die kennenlernte, die
mir Leb und Seele bezwungen hat, seitdem meine
Gedanken, die sie mir durch ihre Güte geraubt, sich
ihr zuwendeten. Daß ich von ihr nicht loskommen
kann, daran ist ihre Schönheit und ihre Güte schuld
und ihr roter Mund, der so freundlich lacht.

All mein Denken und Fühlen habe auf die Reine,
die Liebe, die Gute gerichtet. Was ich immer von ihrer
Güte verlangen darf, möge für uns beide zu einem
guten Ende führen. Was ich je auf dieser Welt
an Freuden erfuhr, daran ist ihre Schönheit und ihre
Güte schuld und ihr roter Mund, der so freundlich lacht


Owê wie jæmerlîche

Owê wie jæmerlîche junge liute tuont,
den ê vil hovelîchen ir gemüete stuont !
die kunnen niuwan sorgen: owê wie tuont si sô ?
swar ich zer werlte kêre, dâ ist nieman vrô:
tanzen, lachen, singen zergât mit sorgen gar:
nie kristenman gesach sô jæmerliche schar.
nû merkent wie den vrouwen ir gebende stât:
die stolzen ritter tragent an dörpellîche wât.
uns sint unsenfte brieve her von Rôme komen,
uns ist erloubet trûren und vreude gar benomen.
daz müet mich inneclîchen (wir lebeten ie vil wol)
daz ich nû für mîn lachen weinen kiesen sol.
die vogele in der wilde betrüebet unser klage:
waz wunders ist ob ich dâ von an vreuden gar verzage ?
owê waz spriche ich tumber man durch mînen böesen zorn ?
swer dirre wünne volget, hât jene dort verlorn.


Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr !

ist mir mîn leben getroumet, oder ist ez wâr ?
daz ich je wânde ez wære, was daz allez iht ?
dar nâch hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nû bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dârinne ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden vremde rehte als ez sî gelogen.
die mîne gespilen wâren, die sint træge unt alt.
daz velt ist unbereitet, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer vliuzet als ez wîlent vlôz,
vür wâr mîn ungelücke wande ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, der mich bekande ê wol.
diu werlt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen vil wünneclîchen tac,
die mir sint gar entvallen als in daz mer ein slac,
iemer mêre ouwê.


Owê wie jæmerlîche junge liute tuont,
den ê vil hovelîchen ir gemüete stuont !
die kunnen niuwan sorgen: wê wie tuont si sô ?
swar ich zer werlte kêre, dâ ist nieman vrô:
der jugende tanzen, singen zergât mit sorgen gar:
nie kein kristenman gesach sô jæmerliche schar.
nû merkent wie den vrouwen ir gebende stât:
die stolzen ritter tragent an dörpellîche wât.
uns sint unsenfte brieve her von Rôme komen,
uns ist erloubet trûren und vreude gar benomen.
daz müet mich inneclîchen (wir lebeten ie vil wol)
daz ich nû für mîn lachen weinen kiesen sol.
die vogele in der wilde betrüebet unser klage:
waz wunders ist ob ich dâ von an vreuden gar verzage ?
ôwê waz spriche ich tumber man durch mînen bösen zorn ?
swer dirre wünne volget, hât jene dort verlorn,
iemer mêre ouwê.


Owê wie uns mit süezen dingen ist vergeben!
ich sihe die bittern gallen in dem honege sweben:
diu werlt ist ûzen schöne, wîz grüene unde rôt,
und innân swarzer varwe, vinster sam der tôt.
swen si nû habe verleitet, der schouwe sînen trôst:
er wirt mit swacher buoze grôzer sünde erlôst.
dar an gedenkent, ritter: ez ist iuwer dinc,
ir traget die liehten helme und manegen herten rinc,
dar zuo die vesten schilte und diu gewîhten swert.
wolte got, wan wære ich der segenunge wert!
sô wolde ich nôtic armman verdienen rîchen solt.
joch meine ich niht die huoben noch der hêrren golt:
ich wolte sælden krône êweclîchen tragen:
die mohte ein soldenære mit sîme sper bejagen.
möht ich die lieben reise gevarn über sê,
sô wolte ich denne singen "wol" und niemêr mêre "ouwê",
niemer mêre ouwê.
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